18 Schiffe

Schiffe - wer denkt das nicht an Fernweh, Abenteuer oder exotische Länder. Gäbe es für substantiva einen Komperativ, die Steigerung von „Schiff„ mußte „Segelschiff„ lauten. Gerade dieser Begriff erzeugt in uns eine gehobene, von Nostalgie und Romantik umflorte Vorstellung von einem geheimnisvoll belebten Wesen, in dem magische Kräfte hausen, die es wie von selbst verstehen, sich die Natur Untertan zu machen.

Wahrscheinlich sind gerade wir Bewohner von Binnenländer besonders anfällig für den Zauber, der von den Stillen windgetriebenen Kolossen ausgeht, die längst von rauchenden und lärmenden Maschinen verdrängt worden sind. Johannes Seidl, im Gebirge zuhause, ist dieser Faszination erlegen, um sie sofort wieder - als Künstler - zu überwinden. Aus sandvermischtem Ton, baut er über Schiffsrümpfen kubische Strukturen und bezieht polierte, scharfkantige Stahlelemente in seine Gebilde mit ein. Bereits hier in der Diskrepanz zwischen dem ursprünglich weichen, leicht formbaren Ton mit seiner rauen Oberfläche und der spiegelnden Sprödigkeit des Stahls, zeigt sich, daß Seidls Schiffe ein assoziationsreiches Spiel mit Paradoxa ermöglichen, ja gerade auf eine amüsante Kombination diametraler Faktoren ausgerichtet sind.

Denn Seidl verbindet nicht nur so gegensätzliche Materialien wie Ton und Metall, er baut - und das erscheint wichtig! - sehr schöne Schiffe, die nicht schwimmen können. Auch verhält sich kaum etwas konträrer als die dem Feuer entnommene Keramik zu Holz, wie es früher zum Schiffsbau verwendet wurde. Nichts liegt Seidl ferner, als Modelle von Schiffen zu bauen, die in der Realität linearen und flächigen Strukturen des Takelwerkes, die Taue und Segel deutet er zu kubischen, raumfüllenden Elementen um. Die Erinnerung an Formen und Silhouetten von Segelschiffen, eine entfernte Ahnung davon, liefert die Vorstellungshilfen und -hülsen, in denen ein völlig freies plastisches Gestalten seinen Platz findet.

Wie erwähnt, Johannes Seidl hat das Paradoxe gesucht. Mag auch versteckt die uralte Männersehnsucht vom freien Seemannsleben das Motiv mitbedingen, Seidl handelt als Künstler autonom. Mit handwerklicher Meisterschaft baut er, der bisher fast aussschließlich mit seiner Frau Charlotte Gemeinschaftsarbeiten schuf, miniaturhafte Architekturen in Schiffsform, die genauso als Details archaischer Tempel interpretiert werden könnten. Eine leise Tendenzen zur Magie, Märchenhaftigkeit und Mythologie, stets ironisch verfremdet, ist spürbar.

Dr. Wolfgang Hilger, Wien, 1989
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